Herausforderung & Potenziale
Wie bereits in anderen Bereichen des Lebens, hält die Digitalisierung mehr und mehr auch Einzug im Gesundheitswesen und verändert dieses sukzessive. Fitness-, Vitaltracker und Gesundheitsapps bieten im Alltag die Möglichkeit den Gesundheitszustand zu kontrollieren und können somit zu regelmäßigem Sport oder einer gesünderen Ernährung anregen.
Der Arzt ist per Videokonferenz von zu Hause aus erreichbar und die Termine können auch bereits online gesetzt werden.
Gleichzeitig steht das Gesundheitswesen vor einer Vielzahl schwerwiegender Herausforderungen, insbesondere
- der demografischen Entwicklung mit einem schnell wachsenden Anteil älterer Mitbürger,
- dem Mangel an medizinischen und pflegerischen Fachkräften,
- großen regionalen Unterschieden in der Bevölkerungs- und damit in der Bedarfsdichte (die medizinische Versorgung kann in vielen ländlichen Regionen mit den bestehenden Strukturen nicht mehr gesichert werden),
- der enormen Zunahme chronischer Erkrankungen aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung,
- großem wirtschaftlichen Druck auf alle an der Gesundheitsversorgung Beteiligten.
Telemedizin-Lösungen sind ein Baustein, diese Herausforderungen zu bewältigen. Sie werden eingesetzt, um Ferndiagnosen zu stellen, optimale Diagnose- und Behandlungspfade festzulegen und Patienten aus der Ferne zu behandeln. Insbesondere im Zuge der Pandemie entwickelte sich ein immens wachsendes Interesse an der Telesprechstunde seitens der deutschen Bevölkerung. Auch europaweit steigt durch eine wachsende Bereitschaft für die gemeinsame Datennutzung in der Bevölkerung die Akzeptanz von eHealth- und telemedizinischen Diensten. Gleichzeitig birgt die Telemedizin das Potenzial, Lücken im Gesundheitssystem zu schließen und Kosten zu senken.
Aktuell gibt es jedoch auch noch eine Vielzahl von Hemmnissen, welche eine breite Anwendung der Telemedizin in Deutschland hinderlich machen. Zum einen, der auf der Strecke bleibende physische Direktkontakt. Sowohl Ärzte als auch Patienten fürchten um unzureichende Diagnostik. Viele medizinische Sachverhalte können allein durch visuellen Austausch nicht erkannt werden. In einer persönlichen Konsultation schätzt der Arzt den Gesundheitszustand eines Patienten anhand einer Vielzahl weiterer Kriterien, wie Gang, Bewegung, Haltung, Gestik u.s.w. ein. Das ist in einer Videosprechstunde so nicht möglich, dafür müssen Alternativen gefunden und weitere Datenquellen erschlossen werden. Zudem bedarf es eines geschulten Personals und einer Technologie, welche die medizinische Ferndiagnose durch den Arzt unterstützend ermöglicht.
Weiterhin bereiten potenziellen Anwendern der Telemedizin das Entstehen großer Datenmengen bei der Nutzung moderner Technologien noch große Sorge. Neben der Verwaltung der Datensätze geht es vor Allem auch um die Analyse und Auswertung der generierten Datenmengen. Diese müssen entsprechend qualitativ hochwertig und nutzbar vorliegen. Denn je effektiver die Datenanalysen, desto genauer lässt sich der Gesundheitszustand des Patienten erfassen.
Telemedizin - das Forschungsnetzwerk
Das ZIM Netzwerk Telemedizin ist ein internationales Forschungsnetzwerk bestehend aus kleinen und mittelständischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen sowie Ärzte- und Pflegeverbänden, welche alle ein gemeinsames Ziel verfolgen: die digital gestützte Versorgung zu etablieren, interdisziplinär und professionsübergreifend.
Im Rahmen des Netzwerkes erfolgt die Entwicklung, Erprobung und Markteinführung von technischen Lösungen und Komponenten, die die telemedizinische Diagnose und Behandlung unterstützen und die insbesondere eine realitätsnahe, digitale Kommunikation und Interaktion mit dem Patienten ermöglichen.
Ziel dieses Netzwerks
Unsere Handlungsfelder
Der soziale Kontakt zwischen Arzt, medizinischem und pflegerischem Personal und Patienten ist bei telemedizinischer Behandlung stark eingeschränkt. Dafür müssen spezielle Methoden gefunden werden, die die fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten kompensieren bzw. ersetzen können. Das beinhaltet sowohl die Inaugenscheinnahme des Patienten durch den Arzt als auch das Vertrauen, das der Patient dem nur virtuell anwesenden Arzt entgegenbringt.
Die bereits von vielen Ärzten durchgeführte Videosprechstunde kann um die Messung von Vitaldaten erweitert werden, so dass ein umfassenderes Bild des Gesundheitszustandes des Patienten entsteht. Neue Messverfahren und KI-Methoden zur Auswertung der Daten können hier zusätzliche Möglichkeiten schaffen, beispielsweise Trends und Anomalien frühzeitig zu erkennen.
In AAL-Systemen werden umfangreiche Daten erhoben, die den Gesundheitszustand des Patienten und seine Entwicklung beschreiben könnten. Diese Daten werden momentan nicht für die medizinische Versorgung genutzt. Ziel ist es, die Potentiale dieser Datenbestände zu erschließen.
Dafür gilt es, eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen. Die Datenquellen sind heterogen strukturiert sowie organisatorisch und informationstechnisch getrennt aus der jeweiligen akteurs-spezifischen Perspektive gestaltet und weisen damit keine den anderen Akteuren übergreifend verständliche Struktur und Semantik auf.
Ärzte stehen vor der Herausforderung, extrem umfangreiche Datenbestände des Patienten zu sichten und die medizinisch relevanten Informationen zu extrahieren und zu bewerten. Ohne eine intelligente Vorverarbeitung der Daten kann das nicht geleistet werden.
Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit beinhaltet daher insbesondere auch, telemedizinische Lösungen für die stationäre und häusliche Pflege zu entwickeln und zu implementieren. Dieser Ansatz ergänzt das Konzept des „Ambient Assisted Living“ (AAL) um telemedizinische Komponenten. Beispielsweise können Vitaldaten automatisiert vorverarbeitet und bei Bedarf, z.B. bei Erkennung von Anomalien oder in Vorbereitung einer Videosprechstunde, an den behandelnden Arzt übermittelt werden.
Der Einsatz von IT zur Erfassung des Gesundheitszustandes eines Patienten birgt angesichts stetig wachsender Datenmengen, zunehmender Komplexität und allen damit verbundenen Chancen und Risiken eine enorme Aufgabe für unser Gesundheitswesen. Im Zuge der Anamnese von Patienten stehen Ärzte vor der Herausforderung, umfangreiche Datenbestände zur Krankengeschichte des Patienten aus unterschiedlichen, analogen und digitalen Quellen zu sichten und die medizinisch relevanten Informationen zu extrahieren und zu bewerten.
Für diese Aufgaben sind digitale, intelligente Assistenzsysteme wünschenswert, die umfangreiche Datenbestände analysieren, vorverarbeiten und die Recherche anforderungsgerecht unterstützen können. Demzufolge sind mit Agilität, Effizienz und vor allem auch Datensicherheit und -schutz nur einige der Kriterien benannt, an denen sich die Netzwerkpartner in Forschungs- und Pilotprojekten orientieren werden.
Das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“ ZIM ist ein bundesweites, technologie- und branchenoffenes Förderprogramm für mittelständische Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Im Rahmen dieses Programms werden unter anderem Vorhaben der Anwendungsforschung und Kooperationsnetzwerke gefördert.